scenery of a body of water beside a city

Corona-Virus: So lebt es sich in Schweden

Publiziert auf Nau.ch am 17. Mai 2020

Irgendwann wurde es mir der Schweiz zu bunt: der Lockdown und auch diese apokalyptische Stimmung. Ich war von Beginn dagegen, die ganze Bevölkerung vom sozialen Leben auszuschliessen. Aber Demokratie nützt nicht viel, wenn du in der Minderheit bist, und der Rechtstaat nützt nicht viel, wenn die Regierung dich rechtsstaatlich korrekt einsperrt. Doch da bleibt immer noch ein Ausweg: das sogenannte «Abstimmen mit den Füssen». Und so entschloss ich mich, nach Schweden ins Corona-Asyl zu gehen.

Die grösste Hürde war eigentlich, einen Flug nach Stockholm zu finden. Swiss fliegt mit einem sehr reduzierten Angebot und die Flüge kosteten alle zwischen 400 – 500 Franken. Und dann ist da natürlich noch die Frage, ob man jemals wieder zurückkommt. Bereits 12 Stunden, nachdem ich meinen Flug gebucht hatte, teilte mir Swiss mit, dass sie meinen Rückflug storniert haben. Ups! Ich wurde dann aber ohne Kostenfolge auf einen früheren Rückflug umgebucht.

Die Reise nach Schweden war unproblematisch. Der Flughafen war leer, keine Familien mit schreienden Kindern, keine Gedränge von Leuten, die das erste Mal fliegen und das Einsteigen kaum erwarten können. Im Flugzeug waren die Mittelsitze frei, aber sonst verlief der Flug wie jeder andere. Auch die Einreise in Schweden war problemlos. Ich wurde nicht nach dem Grund meines Aufenthaltes gefragt. «Tourismus» wäre wohl aktuell eine seltsame Begründung gewesen und «Asyl» wolle ich gegenüber den Behörden auch nicht als Grund angeben.

In Schweden war das Leben dann tatsächlich, wie es sein sollte. Ich erinnere mich gut an das erste Nachtessen in Uppsala. Man erkennt den Wert der Freiheit erst, nachdem man sie verloren hat. In den Restaurants wurden jeweils die Mitteltische freigehalten, und am Eingang befanden sich Desinfektionsmittel. Aber niemand trug eine Maske. Auch sonst war das Restaurant-Erlebnis in keiner Weise eingeschränkt.

Etwas weniger erfreulich war dann das Hotelfrühstück. Dieses bestand aus abgepackten Sandwiches, serviert in einem braunen Papiersack (den ich später in Schweden noch oft zu sehen bekam). Im Hotel konnte man mir zwar nicht erklären, ob dies eine strikte Vorgabe der Behörden sei, aber anscheinend seien die Auflagen für ein Hotelfrühstück zu kompliziert, so dass man sich für die Sack-Variante entschieden habe.

Anschliessend machte ich eine Tour durch die Stadt und stellte entzückt fest, dass auch die meisten Museen geöffnet waren. Am Nachmittag besuchte ich ein Fitness-Center und auch dort konnte man sich frei bewegen. Es wurde ein bisschen mehr geputzt als üblich, aber das war alles. Die Empfangsdame meinte verwundert, ich sei der erste «Corona-Tourist» den sie bisher gesehen habe.

Anschliessend fuhr ich von Uppsala mit dem Zug weiter nach Göteburg, Malmö und schliesslich nach Stockholm. In den Zügen wurden ganze Abteile nur an eine Person vergeben, so dass man anderen Reisenden gut aus dem Weg gehen konnte. In allen Städten (sogar in Stockholm) traf ich ein ähnliches Bild an: Die Menschen halten mehr Abstand als früher, aber sie sind nicht zu Zombies geworden. Sie pflegen einen normalen Umgang und trinken abends auch noch gerne ein Bier in der Bar.

Ein Einheimischer erklärte mir dieses Verhalten wie folgt: «Die Leute vertrauen der Regierung und halten sich an die Anweisungen. Aber sie haben keine Angst. Die einzigen die hier Panik haben, sind die Expats, die von ihren Medien zu Hause in Angst und Schrecken versetzt werden.»

Es ist schon sehr spannend zu sehen, wie zwei Länder mit der Situation so unterschiedlich umgehen und in einer so unterschiedlichen Realität leben. Auch in der Schweiz sollten wir uns nicht zu sehr in Panik versetzen zu lassen, sondern die Pandemie mit Vorsicht, aber auch einem gewissen Gleichmut angehen.